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Was Selbstmitgefühl wirklich bedeutet – und warum du es wahrscheinlich falsch verstanden hast:

Selbstmitgefühl wird heute gerne in pastellfarbenen Instagram-Kacheln verpackt, garniert mit einem Latte Art Herz und dem Subtext: „Be kind to yourself.“ Klingt süß, verkauft sich gut – und geht am Kern vorbei.
Psychologisch: Kein Freifahrtschein, sondern ein realistischer Blick
Selbstmitgefühl bedeutet nicht, sich aus allem rauszulavieren mit dem Satz: „Ich bin halt so.“ Es geht auch nicht darum, sich in Watte zu wickeln oder jede Herausforderung zu meiden, weil „man sich selbst lieben muss“.
Nein, echtes Selbstmitgefühl verlangt radikale Ehrlichkeit. Es heißt, sich eigene Fehler und Schwächen einzugestehen, ohne sich dafür mit der metaphorischen Bratpfanne durchs Leben zu prügeln.
Studien zeigen: Menschen mit einem hohen Maß an Selbstmitgefühl sind resilienter, lernfähiger und psychisch stabiler. Sie verwechseln Selbstmitgefühl nicht mit Selbstmitleid. Der Unterschied? Selbstmitgefühl sagt: „Das war schwer. Und trotzdem darf ich weitergehen.“ Selbstmitleid sagt: „Das war schwer. Ich lege mich jetzt dauerhaft in Embryonalstellung.“
Außerdem: Selbstkritik motiviert uns nicht. Sie lähmt uns. Wer sich ständig selbst zur Schnecke macht, riskiert, irgendwann nur noch die Schnecke zu sehen – und nicht mehr den Weg.
Philosophisch: Du bist Teil vom großen, chaotischen Club
Philosophisch betrachtet wurzelt Selbstmitgefühl in der Erkenntnis: Alle Menschen scheitern. Alle Menschen leiden. Willkommen im Club.
Der Buddhismus nennt das „Common Humanity“ – das gemeinsame Menschsein. Es ist nicht nur dein persönliches Drama, das dich aus der Bahn wirft. Spoiler: Das passiert allen.
Und wenn wir das begreifen, dann fällt diese absurde, selbstgebaute Sonderbehandlung weg, bei der wir glauben, wir müssten perfekt sein, wir dürften keine Fehler machen, wir hätten irgendeinen Goldstandard zu erfüllen, den niemand sonst hat.
Selbstmitgefühl heißt: Du darfst dich ernst nehmen – aber nicht so verdammt wichtig.
Selbstmitgefühl ist unbequem
Weil es verlangt, dass du hinschaust. Dass du Verantwortung übernimmst, ohne dich zu zerlegen. Es ist nicht die bequeme „Ich bin halt so“-Nummer, sondern ein aktiver Prozess: sich selbst Halt geben, sich trösten – und dann aufstehen und weitermachen. Nicht, weil du es musst. Sondern weil du es verdienst.
Und vielleicht, nur vielleicht, hört dann dieses ewige Geratter im Kopf auf, das dir sagt, du wärst nie genug. Vielleicht stellst du fest: Du bist genug – auch wenn du mal eine menschliche Bruchlandung hinlegst.
Übrigens kann man nur mit Selbstmitgefühl heilen.

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