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Grenzen setzen: die olympische Disziplin der Menschheit, in der alle starten, aber kaum jemand ins Ziel kommt, ohne Schuldgefühle, Schweißausbrüche oder einen schlecht getimten Lachanfall. Psychologisch gesehen ist das Ganze ein köstliches Buffet aus inneren Konflikten, alten Mustern und sozialem Kuddelmuddel.

Warum ist es so schwer?
Bindung & Sozialisation: Viele Menschen wurden von klein auf darauf trainiert, „lieb“ zu sein. Nicht „klar“, nicht „ehrlich“, sondern „lieb“. Grenzen setzen widerspricht oft dem Wunsch, gemocht oder akzeptiert zu werden.
Angst vor Ablehnung: Wenn du eine Grenze setzt, riskierst du, dass jemand sich vor den Kopf gestoßen fühlt. Das aktiviert unser Steinzeitgehirn, das denkt: Oh nein, ich werde aus der Höhle geworfen und von einem Säbelzahntiger gegessen.
Unsicherheit über eigene Bedürfnisse: Manche Menschen wissen gar nicht so genau, was ihre Grenze überhaupt ist. Die sind so damit beschäftigt, es allen recht zu machen, dass sie nicht merken, dass sie innerlich schon auf dem Zahnfleisch kriechen.
Schuldgefühle: Wenn du es wagst, Nein zu sagen oder nicht zur fünften Familienfeier in diesem Monat zu gehen, meldet sich sofort das Schuldgefühl – dein innerer Mini-Staatsanwalt mit Robe und erhobenem Zeigefinger.
Alte Muster & Trauma: Wer gelernt hat, dass Grenzen zu Konflikt, Liebesentzug oder Bestrafung führen, wird sich hüten, welche zu setzen. Das ist dann keine simple Entscheidung, sondern ein innerer Kampf gegen alte Gespenster.
Kann es auch leicht sein?
Theoretisch: ja. Praktisch: nur, wenn du ein emotional regulierter Zen-Meister bist oder zufällig in einem sehr grenzfreundlichen Umfeld aufgewachsen bist – was du vermutlich nicht bist, sonst würdest du mich nicht fragen.
Aber: Es kann leichter werden. Mit Übung, Reflexion und manchmal ein bisschen Therapie. Wenn du erstmal kapierst, dass Grenzen nicht Trennungen sind, sondern Brücken mit klarer Mautregelung, wird es einfacher.
Grenzen sind keine Mauern. Sie sagen: Ich bin da, und du darfst auch da sein – aber bitte tritt mir nicht auf den Fuß.
Also ja: schwer, weil du ein Mensch bist. Leichter, wenn du dich wie ein Mensch behandelst – mit etwas Würde, einem Minimum an Selbstrespekt und einem charmanten Nein in der Stimme.
Und falls das zu komplex war: Grenzen setzen ist schwer, weil du Leute nicht enttäuschen willst. Und es wird leichter, wenn du akzeptierst, dass du es sowieso tust.
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