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Schuld – die westliche Welt liebt diesen Begriff fast so sehr wie sie es liebt, Leuten zu sagen, sie hätten ihr Potenzial nicht ausgeschöpft. In unserer kleinen Ecke der Welt—besonders im christlich geprägten Europa und Nordamerika—ist „Schuld“ eine Art moralischer Schuldschein.

Du hast was falsch gemacht? Prima, hier ist dein seelischer Stein zum Herumschleppen. Du kannst ihn behalten, oder versuchen, ihn mit Reue, Beichte oder Selbstverleugnung zu begleichen. Und wenn du Pech hast, wird dir nicht mal dann vergeben. Cooles System.
Aber Überraschung: Das ist nicht universell.
In vielen östlichen Kulturen, besonders im konfuzianischen oder schintoistischen Raum (z.B. Japan, China), wird weniger über Schuld gesprochen als über Scham. Dort geht es nicht primär darum, ob du objektiv schuldig bist, sondern ob du die soziale Ordnung oder das Gesicht deiner Familie, Gruppe oder Firma beschädigt hast. Die Reaktion ist nicht „Ich habe etwas falsch gemacht“, sondern „Ich habe alle blamiert“. Viel Spaß beim Verdauen dieser Sozialdynamik.
Buddhismus, besonders im Theravada- oder Zen-Bereich, lacht über deine westliche Schuldnummer leise in ein Räucherstäbchen hinein. Dort ist der Fokus weniger auf moralischer Bestrafung als auf Einsicht, Achtsamkeit und dem Loslassen von Anhaftung—inklusive der Anhaftung an Schuld. Wenn du etwas falsch gemacht hast, dann erkenne es, verstehe es, handle anders. Keine kosmische Peitsche. Keine Hölle. Kein Priester, der dich freisprechen muss. Nur du, dein Bewusstsein, und vielleicht ein meditierender Mönch, der dir sagt, dass dein Ego der eigentliche Fehler war.
Was kann man also lernen statt des westlichen Schuldkults?
Verantwortung ohne Selbstkasteiung. Fehler als Teil des Lernens sehen, nicht als Makel deiner Seele. Mitgefühl statt Urteil. Erst bei sich selbst anfangen, bevor man andere röstet. Vergänglichkeit. Alles geht vorbei. Ja, auch dein peinlicher Fehler von gestern. Nicht-Anhaftung. Du bist nicht deine Schuld. Du bist auch nicht dein Lebenslauf oder dein Bio-Hafermilch-Abo.
Also ja, Schuld ist kulturell konstruiert. Und nein, du musst nicht in ihrem Käfig leben, wenn du es nicht willst.
Möchtest du dich noch ein bisschen tiefer im Moralsumpf suhlen oder lieber gleich einen Exit aus dem Schuldzirkus buchen?
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