Die Berliner Professorin Angela Bittner-Fesseler untersucht die Kommunikation und Imagebildung von StartUps. “Jung, wild und nur nicht offline – wie Start-ups kommunizieren, lautete der Titel einer von ihr initiierten Studie aus dem Jahr 2014. Aktuell arbeitet Bittner-Fesseler an einem Praxishandbuch zur Imagebildung von StartUps. Angela und ich haben uns über die Relevanz von Kommunikation und Imagebildung als Erfolgs- und Wachstumsfaktor unterhalten.
Marc Alexander Holtz: Als Professorin unterrichtest du heute welche Themen?
Angela: Unternehmenskommunikation und PR. Beispielsweise wie ein Image entsteht, wie man es beeinflusst oder wozu man als Unternehmen eine Reputation benötigt.
Marc: Was fasziniert dich am Thema Reputation wissenschaftlich gesehen?
Angela: Reputation kann wie ein Schwimmring wirken, wenn man zum Beispiel in einer Krise steckt. Und der Journalist, der den Pressesprecher oder CEO schon lange kennt, nicht das schlimmste vermutet, sondern darauf vertraut, dass man ihn korrekt und transparent informiert.
Das Thema hat viele Facetten: gleiches gilt bei Lieferanten, bei Mitarbeitern, die nicht gleich kündigen etc. Der Job der Wissenschaft: Das mit Studien zu belegen.
Marc: Deine Forschung legt Fokus auf die Kommunikation von Startups. Was genau versuchst du herauszufinden?
Angela: Spannend bei Startups ist, dass sie zunächst einmal kein Image haben. Wie auch: keiner kennt sie, sie beginnen erst durch ihre Kommunikation bekannt zu werden. Menschen bekommen einen Eindruck, ein Bild – also Image – von ihnen. Und hier untersuche ich, ob es für Startups einen optimalen Weg dabei gibt. Da das schwer nachzuvollziehen ist, kann man versuchen das beispielsweise anhand ihrer Kommunikation mit Journalisten zu analysieren.
Das Image gehört einem nicht
Marc: Wer kommuniziert hat automatisch ein Image? Und ohne Image kein Erfolg oder Vorankommen?
Angela: Ja. Schon. Aber das Image von ihm hat der andere. Also das Image gehört einem nicht. Jemand, den man nicht kennt, über den man bisher nichts gehört hat, von dem hat man auch kein Image.
Erfolg hängt dann an einem positiven Bild. Und das ist zumindest ein Potenzial für Wachstum.
In der Hand haben, wie die Welt einen sehen soll
Marc: Das bedeutet, man sollte sich frühzeitig um eine eigene Erzählweise bemühen, sprich, den Narrativ (kann man das so sagen) in der Hand behalten und zusehen, dass er draußen ein tolles Bild zeichnet.
Angela: Ja: GANZ früh. Quasi sofort. Studenten von mir haben gegründet und ich habe sie interviewt. Im Gespräch haben sie verstanden, dass der Firmenname keine Spielerei ist. Ebensowenig wie die URL ihrer Website, die Mailadresse, die Lage des Büros – ja sogar die Büroeinrichtung. Sprich, es gibt eine Reihe Faktoren die einen ein chaotisches, ein kreatives oder seriöses Image geben können. All das begleitet einen über Jahre. Daran wird man vom ersten Tag an gemessen, sobald man mit seiner Idee auf andere trifft. Und plötzlich haben die ein Bild von meiner Idee, von meinem Startup.
Und Narrative: ja, kann man so sagen. Es bedeutet, in der Hand zu haben, wie die Welt einen (im Idealfall) sehen soll. Also wie man wahrgenommen wird. Dazu sollte man sich sofort Gedanken machen.
Sobald gegründet wird, ist das Unternehmen in der Welt und wird bewertet
Marc: Man kann demnach als ein neues Unternehmen auch zu spät anfangen zu kommunizieren?
Angela: Genau. Kann man. Zu spät meint: professionell zu spät. Kommunizieren “tut” der Gründer von dem Moment an, in dem er seine Idee mit anderen bespricht. Wenn er potenzielle Förderer, Mitstreiter oder ähnliches trifft. So teilt sich auch die Kommunikation ein:
1. Im stillen Kämmerchen ist das keine PR.
2. Sobald er in Gründung geht, geht er raus. Dann ist das Unternehmen in der Welt. Die Idee wird bewertet, er wird bewertet hinsichtlich Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit etc. Durch Investoren, potentielle Mitarbeiter, Testkunden und andere. Hier brauchen Gründer wirklich Kommunikation. Gut und strategisch aufgesetzte und professionelle Kommunikation muss aber keinesfalls überbordend sein.
3. Dann beginnt das Wachstum, hoffentlich. Das sollte schon in durchdachten Strukturen und Formen stattfinden, immer unter dem Impetus: wie trägt die Kommunikation zur Erfüllung der Unternehmensstrategie bei.
Und in diesen Rollen wird Kommunikation oft extrem unterschätzt. Sie ist ein erfolgskritischer Faktor!
Ohne Bekanntheit keinen Markt
Marc: Worin siehst du bei Startups die größten Herausforderungen in Sachen Kommunikation: Ressourcenmangel, Mangel an Know-How, die Komplexität der kommunikativen Optionen oder im Faktor des Sich-organisieren-könnens?
Angela: In Interviews mit Gründern zeigt sich immer wieder, dass sie keine Zeit für Kommunikation finden. Andere Dinge scheinen wichtiger zu sein. Und plötzlich stellen sie fest: ohne Bekanntheit keinen Markt.
Dazu kommt, dass die “alte” Marketinglehre immer gesagt hat: achtet in eurem Businessplan auf die 4 P’s. Das ist veraltet. Genauso wie erst Marketing, dann PR. Und auch erst wenn Zeit und Geld dafür da ist. Grenzen verschwimmen heute. Der Gründer muss nicht mehr alles nach Lehrbuch abarbeiten. Er kann agil, er kann kreativ sein oder einfach auswählen was er braucht.
Kommunikation ist ein fließender, ein begleitender Prozess mit permanenter Anpassung. Wie beim Startups selbst auch: Ein Startups ist keine Kopie eines großen Unternehmens. Es verändert sich andauernd. Mitten im Tun.
Eine erste Strategie sollte kurzfristig definiert, dann immer überprüft und moderat angepasst werden
Daher würde ich immer vorschlagen, Grundlegendes für sich zu definieren – wer bin ich, wie möchte ich wahrgenommen werden, was habe ich etc. Eine erste Strategie sollte kurzfristig definiert werden. Und dann immer überprüfen, ob sie funktioniert und sie moderat anpassen.
Die Chance besteht darin, dass sie zu Beginn noch keinen Ruf haben. Später werden sie an den Aussagen ihrer Anfangszeit gemessen werden.
Marc: Kann man sagen, welche Zielgruppen für Startups zu Beginn von besonderer Relevanz sind? Ist es immer Kunde und Neugeschäft oder sind es Medien für Bekanntheit und Reichweite?
Angela: Meine Beobachtungen zeigen, dass es stark vom Business und der Finanzierung abhängt. Ein eigenfinanziertes Startup im B2B-Bereich muss in der Gründungsphase anders agieren als eines mit großen Investitionen im B2C-Bereich.
Medien sind oft der erfolgsrelevante Faktor für Bekanntheit
Man könnte ungefähr sagen, dass Markt‑, Finanz- und Mitarbeiterkommunikation die drei wichtigsten Felder sind, weil daran die meisten Startups scheitern, zeigte eine amerikanische Untersuchung 2014. Die Medien sind oft der erfolgsrelevante Faktor für Bekanntheit: die klassischen Medien und die sozialen Medien. Wobei sich heutzutage beide gegenseitig befruchten.
Angela: Diese Stakeholder sollten alle zu Beginn ” bearbeitet” werden – also professionell agieren (und sich im Zweifelsfall dabei helfen lassen). Insbesondere Journalisten werden da schnell mal ungnädig, auch wenn Gründer vielerorts Welpenschutz genießen.
Marc: Wo finden Startups bzw. Entrepreneure oder die Kommunikatoren in den jungen Unternehmen Hilfestellung? Was empfiehlst du ihnen? Netzwerken? Einfach machen? Gleichgesinnte finden? Institutionen?
Angela: Zum einen empfehle ich ihnen, sich – wie auch in anderen Disziplinen – Grundwissen anzueignen, denn sie machen ja noch viel selbst, z. B. dass sie Interviews geben, aber keinen Pressesprecher als Berater und kompetenten Spezialisten an ihrer Seite haben. Das Kommunikationswissen kann dabei durchaus aus Büchern stammen, zudem gibt es spezialisierte PR-Agenturen, die spezielle Pakete oder Workshops zum Thema Kommunikation für Startups bereithalten, meist bezahlbar.
Kollegiale Beratung von Gründern mit Erfahrung ist auch gut.
Es gibt keinen Königsweg. Man sollte in Abwägung von Ressourcen entscheiden. Beispielsweise wenig Zeit aber etwas Geld: Dann Kompetenz einkaufen.
Wenig bis kein Geld: Dann benötigt man Zeit, muss Gespräch suchen, kollegiale Beratung in Anspruch nehmen, selbst lernen.
Und auch die Entwicklungsphase ist ein wichtiger Faktor, weil manche Stakeholder in bestimmten Phasen kein oder aber ein erfolgsentscheidender Faktor sind. Doch eines ist sicher: Das Kommunikations-Wissen lohnt sich.
Marc: Liebe Angela, es war mir ein Bedürfnis dich “gesprochen” zu haben und ich hoffe, wir setzen das andernorts fort! Danke bis hier!
Angela: Juti! Ganz meinerseits, spannend!
Website Angela Bittner
Studie “Unternehmenskommunikation von StartUps in der Praxis” (2014)
»
Alle “60 Minuten Slack”-Interviews
Marc Alexander Holtz ist Sparringspartner für StartUps und KMUs in den Bereiche Business Development, Vertrieb, strategische Kommunikation und Content Marketing. Er doziert, gibt Workshops und Inhouse-Schulungen für Gründerteams, Co-Working-Spaces und KMUs. Bei der dpa-Tochter news aktuell machte er Vertrieb, entwickelt im Digitalbereich Geschäftsfelder und arbeitet derzeit im Produktmanagement.
Stalk me on all the socials: Instagramm, LinkedIn, medium, Refind, Twitter, Xing, YouTube
One Comment