Jan C. Rode ist “Medienlotse” und denkt digital. Er berät Organisationen wie Volkswagen, Faktor 3 oder die Hamburger Senatskanzlei in digitalen Angelegenheiten. Innovation ist Teil seiner Expertise. Was er im “Innovationsforum Blockchain” unter Beweis stellte. Wie man digital kommuniziert und welche Fehler sich vermeiden lassen, erzählte er IM INTERVIEW.
Digital denken heißt …
Marc Alexander Holtz: Du nennst dich einen Digitalberater. Wie können wir lernen digital zu denken?
Jan C. Rode: Digital denken heißt für mich zuallererst, offen sein für die digitalen Möglichkeiten. Mir haben digitale Tools sehr geholfen, beispielsweise Kunden zu finden.
Marc: Das einstige Verwalten von Kontakten spiegelt sich zunehmend im Digitalen wider. Das Digitale für sich zu nutzen, ist ohne Strategie jedoch schnell aufwendig.
Jan C.: Klar, auch der Aufwand für Firmen, Verbände und Privatpersonen, digital gehört zu werden, ist nicht unerheblich. Früher gab es klassische “Gatekeeper”, die man kennen oder überzeugen musste, um eigene Themen öffentlich zu machen. Insofern ist die kommunikative Welt dank digitaler Möglichkeiten durchlässiger und damit auch einfacher geworden.
Marc: Dein Skill-Set erstreckt sich von Beratung über Strategieentwicklung hin zur operativen Umsetzung. Was rufen deine Kunden insbesondere bei dir ab?
Jan C.: Wenige sagen: “Ich brauche eine neue Strategie”. Viele sind digital schon aktiv oder wollen an ihrem Auftritt noch etwas verbessern. Meist finden wir in einem ersten Gespräch heraus wo der Schuh drückt, gefolgt von einer Analyse. Manche sind damit bereits zufrieden, bei anderen geht es dann erst los.
Digital unterwegs sein bedeutet, sich auf Unwägbarkeiten einzulassen.
Marc: Das Ziel entscheidet über Strategie und Maßnahmen. Wie klar ist das Ziel deiner Kunden, wenn sie bei dir auftauchen?
Jan C.: Das Ziele über Maßnahmen entscheiden, versuche ich ihnen auch zu vermitteln. Leider agieren einige mit Scheuklappen und sowohl Ziel als auch Ergebnis stehen schon vor der Beratung fest.
Digital unterwegs sein bedeutet, sich auf Unwägbarkeiten einzulassen. Wir alle kennen Beispiele von Werbekampagnen, die von den Usern veräppelt oder remixt wurden — nicht immer im Sinne der Absender.
Bei manchen Kunden sind deren Ziele auch veraltet. Wenn es beispielsweise um Facebook geht, wollen einige noch immer nur Likes einsammeln. Wobei mittlerweile die Interaktion, also wie die User mit den geposteten Inhalten interagieren (durch Klicks, Likes, Shares, Betrachtungsdauer beim Video), state of the art ist und das Mindset in der Content-Kreation sich längst weiterentwickelt hat.
Marc: Um valide Messkriterien für digitale Kampagnen definieren und dieselben steuern zu können, benötigt man zunehmend digitale Expertise – ein tiefergehendes Verständnis für Tools, Technologien und ihre Möglichkeiten.
Jan C.: Das Thema entwickelt sich immer weiter. Wer sich frühzeitig smart aufstellt, kann hier gute Erfolge erzielen.
In größeren Konzernen arbeiten viele Abteilungen an einem Thema, so kommt es leider zu Reibungsverlusten und der nicht immer optimalen Kampagne oder Strategie.
Underperformer aussortieren
Mit smart meine ich zum Beispiel, bei der Werbung auf Facebook nicht gleich Hunderte oder Tausende von Euro zu versenken, sondern sich vorher Zeit zu nehmen, Zielgruppen genau zu analysieren und mit einem Set von vielleicht zehn Anzeigen und 1–5 Euro am Tag zu starten. So können die Underperformer schnell aussortiert werden und man selbst lernt, welche Inhalte in welcher Zielgruppe wie performen. Das ist was völlig anderes, als sich auf eine Mediaagentur zu verlassen und am Ende des Monats nur über das Reporting zu fliegen.
Marc: Trial and Error also.
Jan C.: Ja, auf jeden Fall.
Digital ist besser, leider auch nerviger. Es lohnt aber durchzuhalten und immer wieder neue Sachen auszuprobieren. Nur so kommen ja die vielen viralen zufälligen Hits zustande: richtige Tonalität, state of the art bei Technik, clevere Idee plus aktueller oder kommender Hype.
Marc: Wovon hängt heute der Erfolg digitaler Kommunikation ab? Was sind dir zufolge Erfolgsfaktoren?
Jan C.: Die Reichweite ist nach wie vor ausschlaggebend. Aber digital kannst du mittlerweile entscheiden, ob du eher auf Masse gehst (das wäre dann die Werbe-Bazooka bei Facebook) oder ob du auf qualitativ hochwertige Nischen setzt.
Ein Beispiel: Vor einigen Jahren habe ich ein Buch über Crowdfunding finanziert. Das war ein großer Erfolg, aber auch nur, weil ich zielgenau in eine Nische (Fans von Hannover 96) gegangen bin und denen das richtige Produkt (Buch mit vielen Bildern) zum richtigen Zeitpunkt (10 Jahre in der 1. Bundesliga) über die richtigen Kanäle (Twitter und Fanforum) vorgestellt habe.
Einer meiner Kunden launchte gegen Jahresende immer eine große Kampagne mit viel Budget. Da wurden Anzeigen auf Spiegel Online, Bild etc. platziert, eine eigene Microsite aus dem Boden gestampft, Testimonials verpflichtet und eine clevere Storyline erdacht — auch das hat prima funktioniert. Beide Projekte spielen auf der digitalen Wiese, nutzen aber völlig andere Spielgeräte.
Analyse, gute Strategie und sinnvolle KPIs
Marc: Welche kommunikativen Spielgeräte empfiehlst du einem Startup, deren erstes Ziel die Kundengewinnung ist und es aber nur über knappe Ressourcen verfügt?
Jan C.: Ganz klar Twitter.
Folgt dort euren Vorbildern und Branchen-Insidern, verfolgt per Hashtag spannende Events und Diskussionen.
Das kostet zu Beginn erstmal nur Zeit. Auf Twitter kommen die Kunden nicht automatisch, aber man bekommt viele gute Hinweise und Anlässe zur Kommunikation. Das kann man später auch im Vertrieb nutzen.
Marc: Das Folgen auf Twitter verstehe ich auf Anhieb, für den Erkenntnisgewinn, für die Trends und Bedarfe der eigenen Branche.
Aber unabhängig davon ob Gründer regional, national oder international durchstarten wollen und Kunden gewinnen wollen?
Der Mehrwert für Kunden
Jan C.: Es kommt immer auf das Startup an. Für eines haben wir zum Beispiel eine Kommunikationsstrategie entworfen, die ganz klar auf Kundengewinnung abgezielt hat. Der Unternehmer wusste sehr gut, was sein Produkt konnte und wen er damit ansprechen wollte. Dann wurde entsprechend Content produziert und im Netz platziert. Das hat hervorragend funktioniert, weil alle einen Mehrwert hatten.
Twitter wie auch Instagram bieten ganz hervorragende Werbemöglichkeiten, die auch mit kleinem Budget betrieben werden können. Nur bitte nie ohne vorherige Analyse und einer guten Strategie mit sinnvollen KPIs.
Marc: Nicht nur junge Unternehmen sehen sich heute vor die Aufgabe gestellt, in einer Zeit, in der alle publizieren und im Netz auch ohne Geld „werben” können — sei es über Social Media, Blogs, Plattformen oder Webseiten, ihre Botschaften an Zielgruppen durchzustellen. Welche neuen Herausforderungen lassen sich identifizieren oder sind deines Erachtens entstanden?
Alternative lautet “schneller werden”
Jan C.: Ich glaube, die neue Herausforderung ist, sich nicht verwirren zu lassen. Denn die Aufgabe ist doch irgendwie gleich geblieben: Die Kommunikation oder Storyline muss so gut sein, dass sie für viele Menschen relevant oder wertvoll ist.
Marc: Sich nicht verwirren lassen, heißt auch Ruhe bewahren, Zeit investieren und klar sein, Fokus behalten, um gut kommunizieren zu können.
Jan C.: Die Alternative lautet “schneller werden”. Gerade was digitale Entwicklungen angeht, gibt es im deutschsprachigen Raum noch einiges nachzuholen.
Marc: Gründer fragen mitunter, welche Schritte für den Aufbau einer guten Kommunikation notwendig sind. Welche empfiehlst du?
Jan C.: Man braucht Ziele. Entweder x Produkte verkaufen oder so und so viel Menschen online mit meinem Produkt bekanntmachen bei Budget y.
Danach würde ich das Startup auswählen lassen, bei welcher Plattform sie sich am wohlsten fühlen. Wenn die digitale Kommunikation wirklich im Unternehmen Einzug erhalten soll, kann man das nicht übers Knie brechen und das muss zu Beginn auch von den Gründern und Beschäftigten mitgetragen werden.
Die meisten wählen Facebook, weil da schon alle sind. Ich dränge aber gern darauf, sich zusätzlich noch eine weitere Plattform anzuschauen. Twitter oder Instagram, weil die zusätzliche Anforderungen bezüglich Schnelligkeit und Visualität stellen.
Marc: Ich sollte aber auch wissen, wo meine Zielgruppe sich aufhält.
Jan C.: Natürlich. Das ist die Hausaufgabe, die vorher erledigt werden muss. Da helfen Personas oder auch frei zugängliche Marktforschungsergebnisse wie die von best4planning.
Marc: Wenn du eine Akademie gründen dürftest, um relevante Aspekte und Erfolgsfaktoren digitaler Kommunikation zu lehren, welche Seminare gäbe es zu besuchen?
Jan C.: Tolle Idee! Da würde ich erstmal viele GastprofessorInnen einladen.
1. fürs Storytelling auf digitalen Kanälen
2. für State of the Art bei der digitalen Kommunikation 2017
3. zum Setup von Werbekampagnen
und mir wäre
4. ganz wichtig: Die Entwicklung von Geschäftsmodellen und Geschäftsmodellfeldern vor dem Hintergrund des Aufkommens der Blockchain-Technologie.
Marc: Woran denkst du beim Setup von Kampagnen?
Jan C.: Bei Kampagnen ist es oft so: Man hat eine Idee, auch ein wenig Kohle, aber es mangelt an der kreativen Umsetzung. Das fängt dann schon damit an, dass niemand an passende Fotos gedacht hat oder die dann schnell mal eben gemacht werden.
Und wie oben angesprochen, reicht es nicht, nur eine Idee zu haben. Du brauchst zehn Anzeigen auf Facebook, die mit ein paar Euro angetestet werden. So vermeidet man Streuverluste. Und durch das tägliche Learning kann die Kampagne dann verbessert werden.
Marc: Lässt sich Wirkung guter Kommunikation überhaupt schnell entfalten?
Jan C.: Ja, das kann es geben. Dann passt der Inhalt genau zum Zeitpunkt und für die Zielgruppe.
Ich habe das persönlich mal mit einem Aprilscherz erlebt, der auf meinem privaten Profil durch die Decke ging. Das war so glaubhaft, dass ich nach nur einer Dreiviertelstunde die Sache auflösen musste. Selbst danach haben die Leute nur gelesen, was über dem Bild stand und nicht in den Verlauf der Kommentare geschaut.
Solche “Hits” werden aber zunehmend schwerer. Man braucht entweder viel Geld, eine exzellente Idee oder auch Glück.
Wenn Produkt nichts taugt, kann Kommunikation nicht auffangen
Marc: Wie siehst du die Rolle der Kommunikation als wertschöpfenden Aspekt einer Unternehmung? Vor allem wenn ungern Budgets freigegeben werden, weil ein Unternehmen noch unerfahren oder die Wertschätzung für Kommunikation nicht vorhanden ist.
Jan C.: Sagen wir mal so, wenn das Produkt nichts taugt, kann auch die Kommunikation das nicht auffangen.
Aber wenn es darum geht, Businessziele zu erreichen, sind eine Kommunikations- oder Marketingstrategie der richtige Ansatzpunkt.
Warum? Weil dafür ein Budget hinterlegt werden kann, das im Idealfall schon von sich aus Ertrag bringt. Oder man verfährt nach dem Verfahren “scale up”/“scale out”.
Marc: “Wenn das Produkt nichts taugt, kann auch die Kommunikation das nicht auffangen.” – vielleicht noch einen fünften Kurs für die Produktentwicklung an deiner Hochschule.
Jan C.: Ja, da gibt es mit “Lean Startup”, “Minimum Viable Product” und “Product Field” tolle Ansätze und Tools.
Marc: Jan, letzte Frage: Wie lernt ein Anfänger gutes Schreiben, gute PR, gutes Marketing, guten Content zu produzieren, wenn man ihn aus Budgetgründen nicht einkaufen möchte?
Jan C.: Schreiben: Learning by doing. Erst für sich, dann anderen zeigen, was man verfasst hat.
PR – auch hier: Der Selbstversuch. Redet mit Influencern, Journalisten, Magazinen.
Marketing: Unzählige Blogs beschäftigen sich mit tollen Kampagnen. Horizont, W&V erklären dann noch, wer die Sachen gemacht hat. Hier einfach Inspiration holen.
Auch über Twitter und Instagram.
Ein eigener Blog ist für viele der Aufgaben eine gute Heimat.
Marc: Viele Profis sagen genau das: Machen, austauschen, lernen und interessiert bleiben! Oder einfach sich jeden Tag fragen, was man besser machen kann als gestern.
Es war mir ein Vergnügen. Besonders das du meiner Einladung gefolgt bist.
Jan: Marc, vielen Dank für die tollen Fragen, die mich jetzt und später noch ins Nachdenken bringen werden.
Website von Jan C. Rode:
www.der-medienlotse.de
Blog von Jan C. Rode (Digitalisierung & Blockchain):
www.der-medienlotse.de/blog/